Wie wir gelernt haben, einander Raum zu lassen

Nur wer sich selbst entfalten darf, kann auch gemeinsam wachsen.

Wir – Sandy und Andreas – sind ein starkes Team. Aber das war nicht immer so. Gerade am Anfang unserer gemeinsamen Abnehmreise haben wir gemerkt, wie leicht man sich in den besten Absichten verheddern kann. Wir wollten einander helfen, uns gegenseitig motivieren, uns zu 100 % unterstützen. Doch irgendwann merkten wir: Es braucht auch Raum. Raum für das eigene Tempo. Raum für eigene Entscheidungen. Raum für Gefühle, die nicht immer gleichzeitig auftauchen.

Warum Raum lassen nicht Distanz bedeutet

Zu Beginn fühlte es sich falsch an, dem anderen nicht ständig zur Seite zu stehen. Ich (Sandy) wollte Andreas motivieren, ihm helfen, ihn immer mitziehen. Und er wollte für mich da sein, mich pushen, mich immer mitreißen. Doch irgendwann waren wir beide erschöpft. Nicht vom Abnehmen selbst – sondern von dem Gefühl, immer für den anderen „da sein zu müssen“.

Der Wendepunkt kam, als wir merkten: Raum zu lassen bedeutet nicht, sich zu entfernen. Es bedeutet, dem anderen zuzutrauen, dass er seinen eigenen Weg geht. Dass er auch ohne ständige Anleitung, Erinnerung oder Rückfrage Verantwortung übernehmen kann – und darf.

Die Erkenntnis: Jeder hat sein eigenes Tempo

Ein ganz praktisches Beispiel: Ich habe morgens oft mehr Energie. Andreas ist der klassische Abendtyp. Lange Zeit habe ich ihn morgens überredet, mit mir Sport zu machen – in der Hoffnung, ihn damit zu motivieren. Aber ehrlich gesagt war er einfach nicht bei sich. Müde, widerwillig, unkonzentriert. Und ich war genervt, dass er nicht „mitgezogen hat“.

Bis wir verstanden: Warum zwingen? Warum nicht akzeptieren, dass jeder seinen Biorhythmus hat? Seitdem trainieren wir zu unterschiedlichen Zeiten – und sind beide motivierter. Denn wir tun es auf unsere Art. Und feiern trotzdem gemeinsam unsere Fortschritte.

Emotionen sind nicht synchron

Es gibt Tage, da bin ich euphorisch, voller Motivation, will neue Rezepte ausprobieren, Pläne schmieden, alles neu denken. Und dann sitzt Andreas da, schaut mich müde an und sagt: „Ich brauch heute einfach nur Ruhe.“ Früher hätte mich das verletzt. Ich hätte gedacht: „Warum zieht er nicht mit?“

Heute weiß ich: Das ist okay. Wir sind nicht immer im Gleichklang. Und das müssen wir auch nicht sein. Jeder darf fühlen, was er fühlt. Und manchmal bedeutet Liebe, den anderen einfach in Ruhe zu lassen. Ohne zu werten. Ohne gleich ein Drama draus zu machen.

Raum lassen heißt: Vertrauen schenken

Der vielleicht schönste Aspekt an unserer Entwicklung ist das gewachsene Vertrauen. Wenn Andreas sagt, dass er heute mal keinen Sport macht, denke ich nicht mehr: „Er lässt nach.“ Ich denke: „Er kennt sich. Er weiß, was er braucht.“

Und wenn ich mal eine Woche weniger auf meine Ernährung achte, weiß ich, dass er nicht hinterfragt oder kontrolliert. Er fragt nur: „Wie geht es dir damit?“ Und das ist mehr wert als jedes Urteil.

Wie wir Raum lassen – ohne uns zu verlieren

  • Eigene Routinen entwickeln: Wir haben beide Tagesabläufe, die individuell sind. Das bedeutet nicht, dass wir uns entfremden – im Gegenteil. Es macht unsere gemeinsamen Momente umso wertvoller.
  • Nicht alles teilen müssen: Es gibt Dinge, die jeder für sich verarbeitet. Wir reden viel, aber nicht über alles. Und das ist gesund so.
  • Zeit allein bewusst nutzen: Ein Spaziergang allein, ein Nachmittag mit Freunden, ein Abend auf dem Sofa mit dem eigenen Lieblingsfilm – das sind keine „Beziehungsfluchten“, sondern Pflege der eigenen Persönlichkeit.
  • Keine Rechtfertigungskultur: Wenn einer mal etwas anders macht, gibt es keine Diskussion. Nur Interesse, manchmal auch Rückfragen – aber keine Bewertung.

Die Balance: Nähe und Eigenständigkeit

Wir glauben heute: Eine gesunde Beziehung besteht aus zwei Menschen, die sich selbst ernst nehmen – und gerade deshalb füreinander da sein können. Wenn ich mich selbst nicht spüre, wie soll ich dich dann spüren? Wenn ich meine Grenzen nicht wahre, wie soll ich deine achten?

Diese Balance ist nicht immer leicht. Manchmal kippt es – zu viel Nähe, zu viel Eigenbrötlerei. Aber wir merken es rechtzeitig. Und dann reden wir. Fragen: „Bist du gerade bei dir?“ oder „Fehlt dir etwas von mir?“ So halten wir uns gegenseitig wach und verbunden.

Raum geben in Rückschlagsphasen

Besonders in schwierigen Momenten ist der Wunsch groß, sofort helfen zu wollen. Wenn Andreas Rückschläge hatte, wollte ich ihn direkt „rausziehen“. Ihn aufbauen, motivieren, ihm sagen, dass alles wieder gut wird. Doch oft hat er genau das nicht gebraucht. Sondern erst mal Ruhe. Rückzug. Zeit, um selbst zu sortieren.

Und umgekehrt war es genauso. Wenn ich frustriert war, wollte ich nicht gleich Lösungen hören. Sondern einfach nur, dass er mir zuhört. Dass er da ist – ohne einzugreifen.

Das haben wir lernen müssen. Und ja, manchmal fällt es noch schwer. Aber wir wissen jetzt: Raum lassen in Krisen ist kein Wegsehen – es ist ein Ausdruck tiefen Vertrauens.

Wenn Raum eng wird: Warnsignale erkennen

Natürlich gibt es auch Grenzen. Raum lassen darf nicht bedeuten, sich aus dem Weg zu gehen. Wenn einer von uns sich dauerhaft zurückzieht, nur noch allein organisiert, kaum noch Austausch sucht – dann sprechen wir es an. Nicht vorwurfsvoll, sondern interessiert.

Unsere Warnsignale sind:

  • Gespräche werden seltener oder oberflächlich
  • gemeinsame Rituale fallen weg
  • einer „funktioniert“ nur noch, lebt aber nicht mehr bewusst

Dann setzen wir uns hin, schauen uns an und fragen: „Wollen wir grad wirklich beide dasselbe?“ Meist reicht schon das, um wieder zueinanderzufinden.

Was uns das Raumlassen gebracht hat

  • Mehr Selbstbewusstsein: Wir wissen beide, dass wir auch für uns stark sein können.
  • Mehr Ehrlichkeit: Es fällt uns leichter, Dinge anzusprechen, weil wir wissen: Der andere wertet nicht.
  • Mehr Verbindung: Ja, wirklich – durch Raum entsteht Nähe. Weil sie freiwillig ist.
  • Mehr Gelassenheit: Wir müssen nicht perfekt synchron laufen. Es reicht, in dieselbe Richtung zu gehen.

Fazit: Raum ist kein Abstand – er ist ein Geschenk

Wenn wir heute auf unseren gemeinsamen Weg blicken, sehen wir viele Stationen. Einige haben wir Hand in Hand erlebt, andere jeder für sich. Aber immer mit dem Gefühl: Wir gehören zusammen.

Einander Raum zu lassen ist kein Zeichen von Schwäche oder Gleichgültigkeit. Es ist ein Akt der Liebe. Eine Einladung: „Sei du selbst – ich bleibe trotzdem bei dir.“ Und genau das ist es, was uns heute als Paar stark macht.

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