Julia, 42 Jahre alt, steht morgens vor dem Spiegel. Sie ist Mutter von zwei Kindern, arbeitet Teilzeit und trägt einige Kilo mehr mit sich herum, als sie gerne würde. „Ich würde ja gern etwas tun,“ sagt sie, „aber ich habe Angst, dass ich meinen Knien schade oder etwas falsch mache.“ Diese Sorge ist kein Einzelfall. Viele Menschen mit Übergewicht zweifeln daran, ob Bewegung in ihrer Situation überhaupt gut möglich ist. Die Antwort lautet ganz klar: Ja – mit dem richtigen Einstieg, einer gesunden Portion Achtsamkeit und viel Verständnis für den eigenen Körper.
In diesem Artikel erfährst du, warum Training mit Übergewicht sinnvoll ist, wie du sicher einsteigen kannst, worauf du achten solltest und wie du langfristig dranbleibst.
Warum Bewegung auch mit Übergewicht sinnvoll und wichtig ist
Viele glauben, sie müssten erst abnehmen, um sich überhaupt bewegen zu können. Tatsächlich ist das Gegenteil richtig: Bewegung hilft beim Abnehmen, entlastet die Gelenke, stärkt das Herz-Kreislauf-System und fördert das psychische Wohlbefinden. Schon kleine Trainingseinheiten können große Wirkung haben.
Wenn du dich regelmäßig bewegst,
- verbrennt dein Körper mehr Energie,
- baust du schrittweise Muskeln auf und
- reduzierst du Entzündungsprozesse im Gewebe.
Besonders für Menschen mit Übergewicht ist Bewegung ein wichtiger Faktor, um Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck oder Fettleber vorzubeugen oder diese zu verbessern.
Darüber hinaus hat Bewegung eine stark stimmungsaufhellende Wirkung. Wer aktiv ist, nimmt den eigenen Körper meist positiver wahr, reduziert Stresshormone und fühlt sich oft schon nach wenigen Wochen selbstbewusster.
Mit welchen Risiken muss ich rechnen – und wie kann ich sie vermeiden?
Die größten Sorgen beim Training mit Übergewicht sind meist Gelenkschmerzen, Überforderung und Verletzungen. Diese Risiken lassen sich aber deutlich reduzieren, wenn du mit einem sinnvollen Plan arbeitest:
- Wähle gelenkschonende Bewegungsformen. Walken, Schwimmen, Fahrradfahren oder einfache Home-Workouts mit dem eigenen Körpergewicht belasten deine Gelenke weniger als Jogging oder Sprungtraining.
- Starte langsam und achte auf Warnzeichen deines Körpers. Schmerz ist kein Signal für „mehr Einsatz“, sondern ein Hinweis auf eine Überlastung.
- Wärme dich immer gut auf. 5 Minuten Mobilisation oder leichtes Gehen machen deinen Körper bereit und senken das Verletzungsrisiko.
Wichtig ist: Du brauchst kein perfektes Training, sondern ein passendes. Der Unterschied liegt in der Machbarkeit. Trainiere so, dass du dich forderst – aber nicht überforderst.
Welche Trainingsarten eignen sich besonders gut bei Übergewicht?
Nicht jede Sportart ist für jedes Gewicht ideal geeignet. Wichtig ist, dass dein Training sowohl sicher als auch effektiv ist. Hier sind besonders geeignete Bewegungsformen:
1. Gehen und Walken
Klingt simpel, ist aber unglaublich wirksam. Zügiges Gehen ist eine der gelenkschonendsten und zugänglichsten Arten, den Kreislauf in Schwung zu bringen. Ein 20- bis 30-minütiger Spaziergang am Tag kann bereits den Stoffwechsel verbessern und Fettverbrennung aktivieren. Mit der Zeit kannst du dein Tempo oder deine Streckenlänge steigern.
2. Schwimmen und Aquafitness
Im Wasser trägst du nur etwa ein Zehntel deines Körpergewichts – das macht Schwimmen zur idealen Einstiegssportart bei starkem Übergewicht. Der Wasserdruck fördert zusätzlich die Durchblutung, die Bewegungen sind sanft für die Gelenke, aber effektiv für Herz und Muskulatur.
3. Radfahren und Heimtrainer
Auch das Rad ist ein sehr gelenkschonendes Gerät. Du kannst damit Ausdauer aufbauen, ohne deine Knie zu sehr zu belasten. Besonders praktisch: Ein Heimtrainer lässt sich gut in den Alltag integrieren und macht dich wetterunabhängig.
4. Training zu Hause
Kleines Wohnzimmer, große Wirkung: Schon mit einer Matte, einem Stuhl und etwas Musik kannst du einfache Kräftigungs- und Mobilitätsübungen machen. Kniebeugen (evtl. mit Stuhlunterstützung), Wandliegestütze, Schulterkreisen und sanfte Bauchübungen sind für den Einstieg ideal.
5. Tanz und Bewegungsspiele
Wer sagt, dass Training keinen Spaß machen darf? Tanzen bringt dich nicht nur in Bewegung, sondern lässt auch Glückhormone sprudeln. Ob Zumba für Einsteiger, eine YouTube-Playlist mit deinen Lieblingssongs oder einfach freies Bewegen – tanzen ist Ausdauertraining mit einem Lächeln.
So startest du sicher in dein neues Training
Ein guter Einstieg legt den Grundstein dafür, dass du dich wohlfühlst und gerne dranbleibst.
Beginne mit kurzen Einheiten
10 bis 15 Minuten reichen für den Anfang. Das Ziel ist nicht, dich zu verausgaben, sondern deinen Körper an Bewegung zu gewöhnen. Höre gut auf deinen Puls und dein Atemtempo. Wenn du dich nach dem Training wohlig-müde und nicht überrollt fühlst, war es genau richtig.
Führe ein Bewegungstagebuch
Notiere dir, wann du dich bewegt hast, was dir leichtfiel und was schwer war. Du wirst sehen: Schon nach wenigen Tagen erkennst du Fortschritte, mehr Energie und ein besseres Körpergefühl. Kleine Erfolge sichtbar zu machen, motiviert ungemein.
Nutze Unterstützung
Ob ein Kurs für Einsteiger:innen, ein Personal Coach oder eine Online-Community: Gemeinsam ist vieles leichter. Vor allem, wenn du unsicher bist, ob du Überlastung oder Schmerzen richtig einschätzen kannst, lohnt sich professionelle Begleitung.
Vermeide Perfektionismus
Es muss nicht gleich ein durchgetakteter Trainingsplan sein. Vielleicht startest du mit einem „Bewegungsvorsatz“ für jeden Tag: 15 Minuten Spazierengehen, eine 5-Minuten-Dehneinheit oder einfach Musik an und lostanzen. Jeder Schritt zählt.
Wie du langfristig motiviert bleibst
Gerade beim Training mit Übergewicht ist es wichtig, geduldig mit sich zu sein. Schnelle Erfolge sind selten, aber langfristige Fortschritte kommen garantiert – wenn du dranbleibst.
Hier ein paar Strategien, um dauerhaft motiviert zu bleiben:
- Feiere kleine Fortschritte. 500 Gramm weniger, 2 Minuten länger durchgehalten oder einfach die zweite Woche in Folge bewegt? Super! Das ist dein Erfolg.
- Gestalte dein Training angenehm. Höre Musik, trag bequeme Kleidung, wähle eine Zeit, die dir gut passt.
- Binde dein Umfeld ein. Ein gemeinsamer Spaziergang mit der Familie, ein virtueller Trainingspartner oder ein Anruf nach dem Workout – soziale Motivation wirkt Wunder.
Viele Menschen berichten, dass sich ihr Blick auf den eigenen Körper über das Training verändert. Nicht weil sie schon am Ziel sind, sondern weil sie sich in Bewegung erlebt haben. Dieses Gefühl ist der eigentliche Gewinn.
Wann ist ein Training medizinisch abzuklären?
Wenn du starkes Übergewicht hast (BMI über 35), an Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herzproblemen, Diabetes oder Gelenkbeschwerden leidest, solltest du vorher ärztlichen Rat einholen. Ein kurzer Gesundheitscheck gibt dir Sicherheit und kann dir helfen, dein Training besser auf deine Bedürfnisse abzustimmen.
Viele Hausärzt:innen freuen sich über Patient:innen, die aktiv werden wollen – und helfen gerne mit Tipps oder Überweisungen zu Bewegungsprogrammen.
Fazit: Dein Körper ist bereit – du musst es ihm nur zutrauen
Julia hat sich übrigens für einen sanften Start entschieden. Jeden Morgen läuft sie 15 Minuten im Park. Nach drei Wochen spürt sie, dass ihr Atem ruhiger wird, sie sich leichter bewegt und ihre Stimmung besser ist. Inzwischen macht sie zweimal pro Woche ein kurzes Home-Workout mit dem eigenen Körpergewicht. Sie hat kein Zielgewicht, sondern ein Zielgefühl: sich stark, beweglich und lebendig zu fühlen.
Auch du kannst deinen Weg finden. Training mit Übergewicht ist keine Mutprobe, sondern ein mutiger Schritt zu dir selbst. Fang an. Geh los. Bewegung ist dein Wegbegleiter.