Sind Kohlenhydrate wirklich so schlimm?

Kaum ein Thema wird beim Abnehmen so heiß diskutiert wie Kohlenhydrate. Doch sind sie wirklich der Feind Nummer eins – oder nur missverstanden?

Jonas ist 38, sportlich, aber mit leichtem Bauchansatz. Seit Wochen versucht er, ein paar Kilos loszuwerden. Auf Social Media liest er ständig: „Kohlenhydrate machen dick!“ – und plötzlich fühlt sich jede Scheibe Brot wie eine Sünde an. Dabei liebt Jonas Pasta, isst gern Obst – und fühlt sich bei einer strengen Low-Carb-Diät schlapp. Seine Frage: Sind Kohlenhydrate wirklich so schlimm? Oder braucht der Körper sie vielleicht doch?

In diesem Artikel räumen wir mit Mythen auf, erklären den Unterschied zwischen guten und schlechten Kohlenhydraten – und zeigen dir, wie du Kohlenhydrate bewusst in deine Ernährung integrierst, ohne zuzunehmen.

Was sind Kohlenhydrate überhaupt?

Kohlenhydrate sind einer der drei Hauptnährstoffe – neben Eiweiß und Fett. Sie liefern schnelle Energie für Körper und Gehirn und kommen in vielen Lebensmitteln vor: Brot, Nudeln, Reis, Kartoffeln, Obst, Gemüse, Süßigkeiten.

Im Körper werden sie in Glukose umgewandelt – unser „Treibstoff“. Überschüssige Glukose, die nicht sofort gebraucht wird, speichert der Körper als Glykogen in Muskeln und Leber. Wenn auch dort kein Platz mehr ist, wird sie langfristig als Fett gespeichert.

Doch das bedeutet nicht automatisch: Kohlenhydrate = Fettzunahme. Entscheidend ist, wie viel du isst – und welche Art von Kohlenhydraten.

Der Unterschied: komplexe vs. einfache Kohlenhydrate

Nicht alle Kohlenhydrate sind gleich. Man unterscheidet grob in:

1. Komplexe Kohlenhydrate:

  • z. B. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Haferflocken, Gemüse
  • enthalten Ballaststoffe, Mineralstoffe, Vitamine
  • sorgen für langsamen Blutzuckeranstieg, machen lange satt

2. Einfache Kohlenhydrate:

  • z. B. Weißbrot, Zucker, Süßigkeiten, Limonaden
  • wirken schnell, treiben den Blutzucker in die Höhe – gefolgt vom schnellen Abfall („Heißhunger“)

Das Problem ist also nicht der Nährstoff an sich, sondern die Form, in der wir ihn konsumieren. Der Körper braucht Kohlenhydrate – aber lieber die komplexen.

Warum Kohlenhydrate beim Abnehmen verteufelt werden

Die Angst vor Kohlenhydraten hat mehrere Gründe:

  1. Schnelle Erfolge bei Low Carb: Wer auf Kohlenhydrate verzichtet, verliert zu Beginn viel Gewicht – meist Wasser. Das motiviert, wirkt aber langfristig nicht besser als andere Diäten.
  2. Blutzuckerspitzen & Heißhunger: Einfachzucker führen oft zu Stimmungsschwankungen und Heißhunger – was die Kontrolle erschwert.
  3. Kalorienreiche Kombinationen: Viele kohlenhydratreiche Lebensmittel sind auch fett- und zuckerreich (z. B. Croissants, Chips, Pizza) – hier ist nicht das Mehl schuld, sondern die Mischung.

Braucht der Körper Kohlenhydrate?

Ganz klar: Ja. Vor allem das Gehirn ist auf Glukose angewiesen. Auch bei körperlicher Aktivität sind Kohlenhydrate der bevorzugte Energielieferant.

Wer komplett auf Kohlenhydrate verzichtet, kann kurzfristig in die sogenannte Ketose kommen – dabei greift der Körper auf Fettreserven zurück. Das funktioniert, ist aber nicht für jeden alltagstauglich.

Für die meisten Menschen ist eine moderate Kohlenhydratzufuhr ideal:

  • bei Bewegungsmangel: lieber weniger
  • bei Sport oder körperlicher Arbeit: mehr erlaubt

Wie viele Kohlenhydrate sind „normal“?

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE):

  • ca. 45–60 % der täglichen Kalorienzufuhr aus Kohlenhydraten

Beispiel: Bei 2000 kcal/Tag wären das 225–300 g Kohlenhydrate.

In der Praxis gilt: Je höher dein Kalorienbedarf, desto mehr Platz ist für Kohlenhydrate – und umgekehrt.

Zum Abnehmen reicht oft schon:

  • einfache Zucker zu reduzieren (Softdrinks, Süßes)
  • weiße Mehle gegen Vollkorn zu tauschen
  • Portionsgrößen bewusst zu wählen

Die Rolle von Ballaststoffen

Komplexe Kohlenhydrate enthalten viele Ballaststoffe – diese sind extrem wichtig beim Abnehmen:

  • machen satt
  • halten die Verdauung in Schwung
  • verlangsamen den Blutzuckeranstieg

Ballaststoffreiche Ernährung hilft, das Gewicht zu regulieren – auch mit Kohlenhydraten.

Tagesziel: 25–30 g Ballaststoffe – z. B. durch:

  • Haferflocken
  • Vollkornbrot
  • Gemüse
  • Hülsenfrüchte

Der Einfluss auf die Psyche

Verzicht auf Kohlenhydrate macht viele Menschen gereizt, antriebslos oder müde. Denn Kohlenhydrate fördern die Bildung von Serotonin – dem „Glückshormon“.

Wer zu streng mit sich ist, riskiert Heißhungerattacken oder emotionales Essen. Auch das kann den Abnehmerfolg torpedieren.

Ein bewusster Umgang – statt Verbote – ist langfristig wirksamer.

Kann man auch zunehmen durch zu viele Kohlenhydrate?

Natürlich – aber nur, wenn du insgesamt mehr Kalorien zu dir nimmst, als du verbrauchst. Das gilt für alle Nährstoffe, nicht nur Kohlenhydrate.

Ein Übermaß an Pasta, Brot, Süßem – kombiniert mit Bewegungsmangel – kann auf Dauer zu Gewichtszunahme führen. Doch Kohlenhydrate allein sind nicht schuld.

Wichtig: Auch „gesunde“ Kohlenhydrate haben Kalorien. Haferflocken, Datteln oder Vollkornbrot sollten ebenfalls in Maßen gegessen werden.

Wie du Kohlenhydrate sinnvoll in deinen Alltag integrierst

1. Frühstück:

  • Haferflocken mit Beeren und Nüssen
  • Vollkornbrot mit Hüttenkäse und Gurke

2. Mittagessen:

  • Quinoa mit Gemüse und Hähnchen
  • Vollkornnudeln mit Tomatensoße und Linsen

3. Abendessen:

  • Gemüsesuppe mit Kartoffelwürfeln
  • Eiweißreiches Gericht mit etwas Naturreis oder Vollkornbrot

4. Snacks:

  • Obst + Handvoll Nüsse
  • Rohkost mit Hummus

Mythen über Kohlenhydrate – und was wirklich stimmt

Mythos 1: Kohlenhydrate machen dick. → Nur bei Kalorienüberschuss. An sich nicht wahr.

Mythos 2: Abends keine Kohlenhydrate essen. → Nicht entscheidend. Die Tagesbilanz zählt. Bei aktivem Lebensstil sind moderate Kohlenhydrate am Abend kein Problem.

Mythos 3: Obst hat zu viel Zucker. → Obst enthält Fruchtzucker, aber auch Ballaststoffe, Vitamine und Wasser – in Maßen sehr gesund.

Mythos 4: Nur ohne Kohlenhydrate nimmt man ab. → Falsch. Entscheidend ist das Kaloriendefizit – das geht auch mit Kohlenhydraten.

Fazit: Sind Kohlenhydrate wirklich so schlimm?

Nein – im Gegenteil. Kohlenhydrate sind ein natürlicher, wertvoller Teil unserer Ernährung. Sie machen nicht automatisch dick – sondern liefern Energie, Ballaststoffe und sorgen für Zufriedenheit.

Wichtig ist die Qualität der Kohlenhydrate: Weniger Zucker und Weißmehl, dafür mehr Vollkorn, Gemüse und Hülsenfrüchte. Dann kannst du Kohlenhydrate mit gutem Gewissen genießen – und trotzdem abnehmen.

Hör auf deinen Körper. Wenn du dich mit einer kohlenhydratreduzierten Ernährung wohler fühlst – probiere es aus. Wenn du Kohlenhydrate brauchst, um leistungsfähig und ausgeglichen zu sein – plane sie gezielt ein.

Denn eine gesunde Ernährung ist kein Dogma, sondern ein Weg, der zu dir passen muss.

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